Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers und Krankheit eines Kindes: Ärztliche Feststellung per Videosprechstunde
Seit dem 7. Oktober 2020 ist die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auch ohne persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt im Rahmen einer Videosprechstunde unbefristet zulässig.
Übersicht
1. Online-Videoarztbesuch
1.1 Zulässigkeit der Krankschreibung
1.2 Dauer der Krankschreibung
1.3 Angaben des Arbeitnehmers zur Krankenversicherung
2. Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber
3. Feststellung der Krankheit und der krankheitsbedingten Betreuungsbedürftigkeit eines Kindes
1. Online-Videosprechstunde
Die Krankschreibung per Videosprechstunde erspart dem Patienten die Anfahrt zur Praxis bzw. dem Arzt einen Hausbesuch beim Patienten.
Sie kann mit Smartphone, Tablet oder mit fast jedem Computer durchgeführt werden, der über Kamera und Mikrofon verfügt. Erforderlich ist für eine ausreichende Übertragung von Bild und Ton eine schnelle Internetverbindung. Eine zusätzliche Software wird nicht benötigt.
In der Regel wird der Patient den Arzt zunächst um Angabe des Codes bitten, mit dem er in die virtuelle Sprechstunde des Arztes gelangen kann. Durch Click auf den vom Arzt zugesandten Link stellt er dann den Kontakt mit dem Arzt her.
Die Videosprechstunde hat zur Gewährleistung der Datensicherheit und eines störungsfreien Ablaufes in geschlossenen Räumen, die eine angemessene Privatsphäre sicherstellen, stattzufinden. Zu Beginn der Videosprechstunde hat auf beiden Seiten eine Vorstellung aller im Raum anwesenden Personen zu erfolgen. Aufzeichnungen jeglicher Art sind während der Videosprechstunde nicht gestattet (§ 3 der Vereinbarung gemäß § 291g SGB V).
Der Arzt hat den Schutz der Daten des Patienten zu gewährleisten. Eine Aufzeichnung der Sprechstunde ist unzulässig.
1.1 Zulässigkeit der Krankschreibung
Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers bzw. der Betreuungsbedürftigkeit eines erkrankten Kindes ist per Videosprechstunde nur zulässig, wenn
- der Versicherte in der betreffenden Arztpraxis persönlich bekannt ist,
- die Krankheit mittels Videosprechstunde untersucht werden kann.
Erkrankungen, bei denen eine Erstfeststellung einer Arbeitsunfähigkeit im Rahmen einer Videosprechstunde in Betracht kommen könnte, sind beispielsweise:
- Erkältung,
- Menstruationsbeschwerden,
- Blasenentzündung,
- Magen-Darm-Infekt,
- Migräne,
- Schübe, z. B. bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen,
- Reaktion auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen, z. B. bei Verlust von nahestehenden Angehörigen.
Das Hinzutreten einer weiteren zur Arbeitsunfähigkeit führenden Krankheit führt nicht dazu, dass eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen einer Videosprechstunde nicht mehr möglich ist. Fällt aber die ursprüngliche Grunderkrankung weg, für die eine unmittelbar persönliche Untersuchung erfolgte, ist eine Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der Videosprechstunde ausgeschlossen und es bedarf hierfür einer unmittelbar persönlichen Untersuchung.
Ein Anspruch der Versicherten auf Krankschreibung per Videosprechstunde besteht nicht (§ 4 Abs. 5 der AU-RL).
1.2 Dauer der Krankschreibung
Die erstmalige Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit ist für längstens sieben Kalendertage möglich.
Eine Folgekrankschreibung kann per Videosprechstunde erfolgen, wenn die vorherige Krankschreibung aufgrund einer unmittelbar persönlichen Untersuchung erfolgte.
1.3 Angaben des Arbeitnehmers zur Krankenversicherung
Krankenversicherte Arbeitnehmer, die im selben oder vorherigen Quartal dem Arzt/der Praxis die elektronische Gesundheitskarte (eKG) vorgelegt haben, müssen dem Arzt zusätzlich erklären, dass sich die Daten nicht geändert haben.
Ist der Arbeitnehmer dem Arzt nicht bekannt, hat dieser im Rahmen der Videosprechstunde die Identität des Versicherten anhand der per Videotelefonie vorgelegten eGK zu überprüfen.
Beispiel: Der Arbeitnehmer ist von einem anderen Arzt einer Gemeinschaftspraxis behandelt worden.
Kann die eGK nicht vorgelegt werden, darf der Arzt folgende Daten erfragen, weil er diese für die Abrechnung benötigt:
- Bezeichnung der Krankenkasse,
- Name, Vorname und das Geburtsdatum des Versicherten,
- Art der Versicherung,
- Anschrift des Versicherten und
- Krankenversichertennummer.
Der Versicherte hat außerdem das gegenwärtige Bestehen des Versicherungsschutzes zu bestätigen. Geht es in der Videosprechstunde um die Behandlung von Kindern, haben die Eltern die Daten mitzuteilen.
2. Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
an den Arbeitgeber
Kassenärzte sind verpflichtet, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung digital dem Arbeitgeber zu übermitteln (§ 5 Abs. 1 AU-RL).
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen haben sich aber darauf geeinigt, dass in Abweichung von der Regelung in der AU-RL bis zum 30. September 2021 dem Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform zur Vorlage bei dem Arbeitgeber ausgehändigt werden kann (Muster 1).1
3. Feststellung der Krankheit und der
krankheitsbedingten Betreuungsbedürftigkeit eines
Kindes
Für die Feststellung einer erforderlichen Betreuung, Beaufsichtigung oder Pflege eines erkrankten Kindes enthält die AU-RL keine Vorgaben. Deshalb hat der Arzt im Einzelfall unter Wahrung des ärztlichen Sorgfaltsmaßstabs zu prüfen und darüber zu entscheiden, ob er das Kind per Videosprechstunde behandeln kann. Das Vorliegen einer Erkrankung und die Notwendigkeit einer Betreuung und Beaufsichtigung, hat er zu bescheinigen (Muster 21).2
1 www.kbv.de/media/sp/Muster_1.pdf
2 www.kbv.de/media/sp/02_Mustersammlung.pdf