Arbeitslose: Pflicht zur vorzeitigen Beantragung von Altersrenten und anderen vorrangigen Leistungen
Pflicht zur Beantragung vorrangiger Leistungen
Vorrangige Leistungen sind
- Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung: Übergangsgeld, Altersrente, Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, Hinterbliebenenrente;
- Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung: Verletztengeld, Renten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit;
- Leistungen der Krankenkassen: Krankengeld, Leistungen der medizinischen Rehabilitation;
- Leistungen der Ausbildungs- und Arbeitsförderung: Arbeitslosengeld, Berufsausbildungsbeihilfe, BAföG
Wohngeld oder Kinderzuschlag sind aber nur dann in Anspruch zu nehmen, wenn dadurch die Hilfebedürftigkeit aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten beseitigt würde.
Verweis auf vorrangige Altersrente ab Vollendung des 63. Lebensjahres
Leistungsberechtigte sind ab Vollendung des 63. Lebensjahres verpflichtet, eine ungeminderte Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen.
Ohne Abzüge wird die Altersrente für langjährig Versicherte ausgezahlt. Zur Beantragung der Rente muss der zukünftige Rentner mindestens 45 Jahre anerkannte Pflichtbeiträge in die Rentenkasse eingezahlt haben. Berufstätige, die vor 1953 geboren wurden, können ohne Abschläge mit 63 Jahren in den Ruhestand gehen.
Den meisten Leistungsberechtigten steht nach Vollendung des 63. Lebensjahres nur ein Anspruch auf eine durch Abschläge gekürzte Altersrente zu.
Für jeden Monat vor Erreichen der individuellen Altersrente wird lebenslang ein Abschlag von 0,3 Prozent berechnet, für jedes Jahr somit von 3,6 Prozent und höchstens 14,4 Prozent.
Bei einer mit Erreichen der Regelaltersgrenze zu erwartenden Monatsrente von 1.000 Euro brutto würde sich der Zahlbetrag bei einem 14,4 prozentigen Abschlag und 11 Prozent Krankenversicherung auf ca. 760 Euro verringern.
In diesen Fällen muss der Leistungsträger vor einer Aufforderung zu einer Rentenantragstellung nach § 5 Absatz 3 SGB II prüfen, ob einer der Unbilligkeitstatbestände der Unbilligkeitsverordnung vorliegt. "Unbillig" ist die Aufforderung, einen vorzeitigen Rentenantrag zu stellen,
- wenn und solange die vorgezogene Altersrente zu dem Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld I führen würde,
- wenn der Leistungsberechtigte in nächster Zukunft eine abschlagsfreie Altersrente beanspruchen könnte (innerhalb von drei Monaten),
- wenn der Leistungsberechtigte eine sozialversicherungspflichtige oder sonstige Tätigkeit mit gleich hohem Einkommen ausübt und diese Tätigkeit den überwiegenden Teil der Arbeitskraft in Anspruch nimmt,
- wenn der Betroffene glaubhaft nachweisen kann, in nächster Zukunft eine nicht nur vorübergehende Erwerbstätigkeit auszuüben,
- wenn der Leistungsberechtigte dadurch hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII werden würden.
Der Eintritt von Hilfsbedürftigkeit wird vermutet, wenn der Betrag in Höhe von 70 Prozent der bei Erreichen der Altersgrenze (§ 7a SGB II) zu erwartenden monatlichen Regelaltersrente niedriger ist als der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Unbilligkeit maßgebende Bedarf der leistungsberechtigten Person nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.
Beispiel: Die Aufforderung zur Inanspruchnahme der Regelaltersrente muss unterbleiben, wenn 70 Prozent der zu erwartenden Regelaltersrente von 900 Euro = 630 Euro geringer sind als der aktuelle Bedarf nach dem SGB II in Höhe von 674 Euro (Regelbedarf von 374 Euro + anteilige Kosten der Unterkunft und Heizung von 300 Euro = 674 Euro).
Die Pflicht, eine Altersrente zu dem regulär vorgesehenen Zeitpunkt, also nicht vorzeitig im Sinne des Rentenrechts und ohne Abschläge, in Anspruch zu nehmen, bleibt unberührt.
Antragstellung durch den Leistungsträger
Stellen Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf vorrangige Leistungen eines anderen Trägers nicht, kann der Leistungsträger den Antrag stellen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II).
Ausführliche Hinweise zur Unbilligkeitsverordnung enthält die fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit.