Amtliches Führungszeugnis: Pflicht zur Vorlage nach dem Wohn- und Teilhabegesetz NRW
Bei Einrichtungsleitung, Pflegedienstleitung, verantwortlicher Fachkraft und sonstigen Beschäftigten dürfen keine Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass sie für die Ausübung ihrer Tätigkeit persönlich nicht geeignet sind (§ 2 Abs. 1 Satz 1 WTG-DVO).
Sonstige Beschäftigte sind Personen, die im Rahmen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses in Betreuungsangeboten tätig sind, beispielsweise geringfügig Beschäftigte und Honorarkräfte, sowie Personen, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zum Leistungsanbieter stehen, wie beispielsweise Leiharbeitnehmer und ehrenamtliche Mitarbeiter, soweit sie betreuende Tätigkeiten erbringen (§ 3 Abs. 4 WTG).
In Betreuungsangeboten tätig sind Mitarbeiter bei der Pflege bzw. der sozialen Betreuung. Dagegen sind Verwaltungstätigkeiten sowie hauswirtschaftliche oder handwerkliche Tätigkeiten keine Betreuungstätigkeiten.
1. Prüfpflicht der Leistungsanbieter
Die Leistungsanbieter müssen die persönliche Eignung regelmäßig überprüfen (§ 4 Abs. 8 Satz 2 WTG NRW und § 2 Abs. 3 WTG NRW-DVO):
- Sie müssen sich bei der Einstellung ein amtliches Führungszeugnis von jedem Bewerber für pflegerische Tätigkeiten bzw. für soziale Betreuung, der beschäftigt werden soll, vorlegen lassen (§ 2 Abs. 3 Satz 2 WTG-DVO).
- Regelmäßig, in Abständen von mindestens drei und höchstens fünf Jahren, müssen sie von der Pflegedienstleitung und den verantwortlichen Fachkräften die Vorlage eines amtlichen Führungszeugnisses fordern (§ 2 Abs. 3 Satz 3 WTG-DVO).
Fachkraft in der Pflege: Altenpfleger, Gesundheits- oder Krankenpfleger, Kinderkrankenpfleger, in der Eingliederungshilfe auch Heilerziehungspfleger.
Fachkraft für soziale Betreuung: Staatlich anerkannter Sozialarbeiter, Sozialpädagoge, Heilpädagoge, Diplom-Pädagoge, Psychologe, Gesundheits-, Pflege- oder Sozialmanager, Ergo-, Physio- oder Sprachtherapeut.
Fachkraft ist auch, wer über eine gleichwertige staatlich anerkannte Berufsqualifikation verfügt und nach dem Konzept der Einrichtung ausschließlich entsprechend seiner Berufsqualifikation tatsächlich in der sozialen Betreuung eingesetzt ist (§ 1 WTG-DVO). - Auch für andere Beschäftigte muss der Einrichtungsträger die persönliche Eignung regelmäßig überprüfen. Er kann sie aber auf andere Weise überprüfen beispielsweise, indem er statt der Vorlage eines aktuellen Führungszeugnisses jeweils nach spätestens fünf Jahren vom Mitarbeiter die schriftliche Erklärung verlangt, dass dieser keine einschlägige Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat.
Andere Beschäftigte sind beispielsweise Pflegehelfer, Betreuungs- oder Gesundheitsassistenten.
2. Antrag des Mitarbeiters auf Erteilung des
Führungszeugnisses
Das Führungszeugnis kann vom Mitarbeiter persönlich unter Vorlage des Personalausweises oder Reisepasses bei der örtlichen Meldebehörde oder über das Online-Portal des Bundesamts für Justiz beantragt werden. Benötigt werden für den Online-Antrag der elektronische Personalausweis bzw. ein elektronischer Aufenthaltstitel und ein Kartenlesegerät.
Das Führungszeugnis kostet 13 Euro. Von der Erhebung der Gebühr kann abgesehen werden
- bei Mittellosigkeit z. B. von Arbeitslosengeld II-Beziehern, Sozialhilfeempfängern, Beziehern des Kinderzuschlags nach § 6a Bundeskindergeldgesetz oder
- wenn das Führungszeugnis für einen besonderen Verwendungszweck benötigt wird, beispielsweise wenn es für eine ehrenamtliche Tätigkeit in einer gemeinnützigen oder vergleichbaren Einrichtung benötigt wird.
Bei einer elektronischen Antragstellung ist der Nachweis der Mittellosigkeit elektronisch zu erbringen.
Der Dienstgeber hat die Kosten zu übernehmen, wenn ein Mitarbeiter das Führungszeugnis vorzulegen hat. Dagegen muss ein Bewerber die Kosten selbst tragen. Das gilt auch bei Einholung eines amtlichen Führungszeugnisses; denn Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, dem Mitarbeiter die Aufwendungen zu erstatten, die durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sind (§ 670 BGB). Die Beschränkung der Erstattungspflicht des Dienstgebers auf die Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses ist deshalb gesetzwidrig.
3. Vorlage und Einsicht in das Führungszeugnis
Der Bewerber bzw. vorlagepflichtige Mitarbeiter kann dem Einrichtungsträger das Führungszeugnis aushändigen und überlassen, ist dazu aber nicht verpflichtet. Er hat dem Dienstgeber lediglich die Einsicht in das amtliche Führungszeugnis zu ermöglichen.
Der Träger darf nur den Umstand der Einsichtnahme, das Datum des Führungszeugnisses und die Information, ob und ggfs. welche in § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 genannte Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit der Mitarbeiter begangen hat und rechtskräftig bestraft worden ist, speichern.
Der Träger der Einrichtung darf diese Daten nur nutzen oder verändern, soweit dies zur Prüfung der Eignung einer Person erforderlich ist. Die Daten sind vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind zu löschen, sobald sie nicht mehr benötigt werden.
Eintragungen über Bestrafungen wegen anderer Delikte, die beim Einblick in das Führungszeugnis unvermeidlich mitgelesen werden, muss der Dienstgeber sofort vergessen. Er darf sie weder speichern noch nutzen. Um eine unzulässige Nutzung auszuschließen, bieten manche Dienstgeber dem Mitarbeiter ein besonderes Verfahren an:
Der Mitarbeiter legt das Führungszeugnis einen vom Dienstgeber benannten Notar vor. Dieser nimmt Einblick und teilt dem Dienstgeber in den meisten Fällen mit, dass im Führungszeugnis keine Eintragungen über einschlägige Straftaten vorhanden sind. Falls derartige Eintragungen vorhanden sind, hat der Notar abzuklären, ob und ggfs. inwieweit der Mitarbeiter mit einer Information des Dienstgebers einverstanden ist (Art. 7 DSGVO; § 8 KDG).
4. Rechtsfolgen bei fehlendem Nachweis persönlicher
Eignung
Der Leistungsanbieter und Dienstgeber darf wegen des gesetzlichen Beschäftigungsverbots einen Bewerber nicht einstellen, der persönlich nicht geeignet ist.
4.1 Ausschluss der persönlichen Eignung
Die persönliche Eignung für betreuende Tätigkeiten ist ausgeschlossen, wenn
- ein Bewerber bzw. Mitarbeiter wegen einer Straftat gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit bzw. wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Diebstahls, einer gemeingefährlichen Straftat oder einer Straftat nach den §§ 29 bis 30b des Betäubungsmittelgesetzes,
- ein Einrichtungsleiter wegen Erpressung, Urkundenfälschung, Untreue, Unterschlagung, Betrugs, Hehlerei oder einer Insolvenzstraftat
zu einer Freiheitsstrafe oder Ersatzfreiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt worden ist, sofern die Tilgung im Zentralregister noch nicht erledigt ist (§ 2 Abs.1 WTG-DVO).
Ein Einrichtungsleiter, Pflegedienstleiter oder eine verantwortliche Fachkraft ist auch dann ungeeignet, wenn gegen ihn/sie wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 42 des Wohn- und Teilhabegesetzes mehr als zweimal eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist, soweit nicht fünf Jahre seit Rechtskraft des letzten Bußgeldbescheides vergangen sind (§ 2 Abs. 2 WTG-DVO).
4.2 Arbeitsrechtliche und ordnungsrechtliche Rechtsfolgen
Der Leistungsanbieter, der einen Mitarbeiter trotz fehlender persönlicher Eignung beschäftigt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 20.000 Euro geahndet werden kann (§ 42 Abs. 1 Nr. 10 und Abs. 2 WTG).
Legt ein Bewerber trotz Aufforderung ein Führungszeugnis nicht vor, darf er nicht eingestellt werden. Der Dienstvertrag kann in diesem Falle unter der Bedingung abgeschlossen werden, dass der Bewerber vor Arbeitsaufnahme das Führungszeugnis vorlegt. Ohne Nachweis der persönlichen Eignung ist jede, auch eine nur vorläufige oder Probebeschäftigung unzulässig.
Besteht ein Dienstverhältnis, ist der Mitarbeiter spätestens nach fünf Jahren zur erneuten Vorlage eines Führungszeugnisses bzw. Abgabe einer schriftlichen Erklärung verpflichtet. Erfüllt er seine Pflicht trotz deutlichem Hinweis auf die arbeitsrechtlichen Konsequenzen einer beharrlichen Weigerung nicht, hat der Dienstgeber mehrere Handlungsmöglichkeiten: Er kann fristlos oder unter Einhaltung einer Auslauffrist kündigen, während der eine betreuende Tätigkeit nicht zulässig ist (§ 16 AT-AVR). Er kann aber auch dem Mitarbeiter eine andere nicht betreuende Tätigkeit im Rahmen des Dienstvertrags oder aufgrund einer Änderungskündigung oder Änderungsvereinbarung zuweisen, falls ihm die Weiterbeschäftigung möglich und zumutbar ist.
5. Mehrfachverpflichtung zur Vorlage von
Führungszeugnissen
Der Leistungsanbieter und Dienstgeber darf wegen des gesetzlichen Beschäftigungsverbots einen Bewerber nicht einstellen, der persönlich nicht geeignet ist.
Fach- und Betreuungskräfte und dauerhaft tätige ehrenamtliche Personen, die nach dem WTG NRW zur Vorlage eines amtlichen Führungszeugnisses verpflichtet sind, können nach § 124 SGB IX bzw.
§ 75 SGB XII auch zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verpflichtet sein. Dieses enthält alle Eintragungen des amtlichen Führungszeugnisses und zusätzlich Eintragungen über Strafverfahren wegen Sexual- und Gewaltdelikten (§ 32 Abs. 5 und § 34 Abs. 2 BZRG).
Vereinfachungs- und Kosteneinsparungsgründe sprechen dafür, dass Mitarbeiter ihre Pflicht zur Vorlage eines amtlichen Führungszeugnisses auch durch Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses erfüllen können. Das ist für die meisten Mitarbeiter unproblematisch, den Mitarbeitern mit Eintragungen im erweiterten Führungszeugnis jedoch datenschutzrechtlich nicht zumutbar.
Der Dienstgeber kann deshalb nur allgemein darauf hinweisen, dass Mitarbeiter sich durch Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses die Vorlage eines weiteren amtlichen Führungszeugnisses ersparen können. Verpflichten darf er den Mitarbeiter dazu nicht.