Sprechstube für Bedürftige
"Armut macht krank", lautete vor drei Jahren das Jahresthema des Deutschen Caritasverbandes. "Das kann doch gar nicht sein. In Deutschland sind doch alle Menschen krankenversichert und können zum Arzt gehen", war damals die Reaktion im Katharinen-Hospital Unna. Aber eben doch anders ist die Realität - auch in Deutschland. Wohnungslose Menschen, Zuwanderer, Nicht-Versicherte, illegal in Deutschland Lebende, die Liste ist lang. Und immer wieder trifft man gerade in den Krankenhäusern auf Patienten, die ihre Krankheiten über Jahre verschleppt haben.
Für die Verantwortlichen im Katharinen-Hospital und im Caritasverband für den Kreis Unna war deshalb das Jahresthema 2012 ein Auftrag, ganz konkret zu werden und den Menschen, die am Rande unseres Gesundheitssystems stehen, Hilfe anzubieten.
Geboren wurde dann folgende Idee: "Wir möchten eine dauerhafte medizinische Unterstützung für bedürftige Menschen in Unna anbieten", so der damalige Geschäftsführer des Katharinen-Hospitals, Klaus Bathen. Allein die Umsetzung bot viele Hürden. Mediziner aus dem Krankenhaus und niedergelassene Ärzte mussten angesprochen und für das Projekt gewonnen werden. Das gelang mit einer Gruppe begeisterter Mitarbeiter und Kollegen. Weiteren Klärungsbedarf gab es rein organisatorisch. Wie können die Leistungen der Ärzte in der Sprechstunde korrekt mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet werden? Welche Räume stehen zur Verfügung? Wer übernimmt Kosten für Medikamente und Behandlung? Wer hat den Kontakt zu den Bedürftigen und übernimmt die Rolle der Vermittlung des Angebotes?
"Es ist sehr umfangreich gearbeitet worden. Und das Ergebnis ist umso überzeugender", freut sich Ralf Plogmann, Vorstand des Caritasverbandes für den Kreis Unna. In den Räumen der Caritas-Beratungsstelle für Wohnungslose an der Hansastraße in Unna wurde das Angebot inzwischen etabliert - mit guter Resonanz. Fünf niedergelassene Ärztinnen und Ärzte aus Unna und Umgebung arbeiten ehrenamtlich und teilen sich die Dienste der so getauften "Sprechstube". Pflegekräfte des Krankenhauses unterstützen zudem ehrenamtlich die Sprechstunden, die jeweils mittwochs von 15 bis 16.30 Uhr stattfinden.
Im Hintergrund stehen organisatorisch und fachlich Ärzte des Katharinen- Hospitals für weiter gehende Behandlungsangebote zur Verfügung. Das Vertrauen zwischen Ärzten, Pflegenden und Patienten ist nach inzwischen über zwei Jahren gewachsen. Viele "Besucher" der "Sprechstube" nutzen diese auch, um neben medizinischer Hilfe ein Stück Lebens- und Alltagsberatung zu erhalten. In manchen Fällen konnten zudem Patienten mit chronischen oder schwerwiegenderen Erkrankungen an Praxen oder das Krankenhaus weitergeleitet werden. Vor diesem Hintergrund funktioniert die Unnaer "Sprechstube" im besten Sinne als Hilfsangebot für die Schwachen in der Gesellschaft - ganz im Sinne des Caritas-Jahresthemas.
Hintergrund
Armut macht krank. Diese vordergründig plakative Aussage wird von vielen Studien bestätigt. So liegt nach aktuellen Erhebungen des Robert-Koch-Instituts die Lebenserwartung von Frauen aus der Armutsrisikogruppe acht Jahre unter der von Frauen mit höheren Einkommen. Bei Männern beträgt die Differenz sogar elf Jahre.