Brille: Kostenübernahme für Asylbewerber/Bezieher von SGB II Leistungen oder von Sozialhilfe
1. Asylbewerber
Die Übernahme der Kosten einer Brille hängt bei Asylbewerbern davon ab, welche gesetzlichen Regelungen für sie einschlägig sind. Zu unterscheiden sind
- besonders schutzbedürftige Asylbewerber,
- Asylbewerber während der ersten 15 Monate des Bezugs von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz,
- Asylbewerber nach Ablauf der ersten 15 Monate des Bezugs von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
1.1 Besonders schutzbedürftige Asylbewerber
Besonders schutzbedürftige Asylbewerber haben Anspruch auf die im Einzelfall "erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe" (§§ 4, 6 Abs. 2, Artikel 19 der "Asylaufnahmerichtlinie" - RL 2013/33/EU).1 Auf eine akute Behandlungsbedürftigkeit kommt es nicht an. Deshalb sind die angemessenen Kosten für eine Brille vom Leistungsträger zu übernehmen, wenn die Brille zum Ausgleich einer Sehschwäche geeignet und erforderlich ist.
Zu den besonders schutzbedürftigen Personen gehören gemäß Art. 20 der Richtlinie:
- Minderjährige, insbesondere unbegleitete Minderjährige,
- Ältere Menschen,
- Behinderte Menschen,
- Schwangere,
- Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern,
- Opfern des Menschenhandels,
- Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen,
- Personen mit psychischen Störungen,
- Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie z. B. Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien.
1.2 Sonstige Asylbewerber während der ersten 15 Monate des
Leistungsbezugs
Sonstige Bezieher von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die nicht zu den besonders schutzbedürftigen Personen gehören, haben in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts nur Anspruch auf die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AsylBLG). Da eine Sehschwäche keine akute Erkrankung ist und auch keine Schmerzen auslöst, werden die Kosten einer Brille häufig nicht übernommen.
Jedoch kann eine Brille als sonstige Leistung nach § 6 Abs. 1 AsylbLG insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Vermeidung von Krankheitsfolgeschäden oder einer erhöhten Unfallgefahr dringend erforderlich ist.
Beispiele: Die Schule bescheinigt, dass ein Kind eine Brille braucht, um in seiner sprachlichen und geistigen Entwicklung nicht geschädigt zu werden.
1.3 Sonstige Asylbewerber ab dem 16. Monat des Leistungsbezugs
Asylbewerber können nach 15 Monaten Leistungsbezug die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im gleichen Umfang wie Deutsche beanspruchen (§ 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit § 48 SGB XII). Sie gelten zwar nicht als gesetzlich Krankenversicherte, erhalten aber eine Versicherungskarte und bekommen alle Leistungen, auf die auch deutsche Versicherte einen Anspruch haben, von der von Ihnen gewählten gesetzlichen Krankenkasse (§ 264 SGB V).
Von den Krankenkassen werden Brillen für Kinder, für Erwachsene aber nur bei erheblicher Sehschwäche übernommen (sehen sie dazu den Beitrag "Brillen: Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen, Unfallversicherungsträger und Arbeitgeber" aus dem Recht-Informationsdienst 3/17).
2. Brillenreparatur: Bezieher von Arbeitslosengeld II oder
Sozialhilfe
Bezieher von Arbeitslosengeld II bzw. von Sozialhilfe nach dem SGB XII haben zwar keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Anschaffung bzw. Ersatzbeschaffung einer Brille. Jedoch sind die Kosten für Brillenreparaturen vom Jobcenter bzw. dem Träger der Sozialhilfe zu übernehmen. Insoweit besteht ein gesonderter Anspruch nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II bzw. nach § 31 Abs.1 Nr. 3 SGB XII.2
Der Höhe nach ist der Anspruch unter Berücksichtigung des Gebots der Wirtschaftlichkeit auf das medizinisch Notwendige begrenzt.3 Medizinisch notwendig sind in aller Regel die Brillengläser und die Brillenfassung. Dagegen ist nach Auffassung des Bundessozialgerichts beispielsweise eine Entspiegelung von Brillengläsern in aller Regel nicht medizinisch notwendig.4
Zur Übernahme von Kosten für Anschaffung und Reparatur von Brillen durch gesetzliche Krankenkassen, Unfallversicherungsträger und Arbeitgeber finden Sie einen Beitrag im Recht-Informationsdienst 3/2017 (Seite 43 bis 44) oder hier auf unserer Homepage.
1 Die Bundesrepublik hat pflichtwidrig die Richtlinie nicht in deutsches Recht umgesetzt. Deutsche
Behörden und Gerichte dürfen deshalb Rechtsvorschriften, die von der Richtlinie abweichen, nicht
anwenden (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 10.03.2011 - C-109/09).
2 Bundessozialgericht, Urteil vom 25.10.2017 - B 14 AS 9/17 R.
3 Landessozialgericht Celle-Bremen - L 13 AS 92/16.
4 Bundessozialgericht, Urteil vom 23.06.2016 - B 3 KR 21/15 R.